Im ADAC Autotest werden auch die Material- und die Verarbeitungsqualität beurteilt. Eine aktuelle Auswertung zeigt: Bei vielen Modellen wird die Qualität schlechter, bei manchen aber auch besser. Woran das liegt – und welche Autos gut bzw. schlecht abschneiden.
580 Automodelle im ADAC Qualitätscheck
Wo Hersteller sparen, zeigt sich in Details
Selbst teure Autos sind oft nicht sonderlich hochwertig
Wie sich unsere Autos in den letzten Jahren weiterentwickelt haben, ist schon faszinierend. Selbst Kleinwagen bremsen inzwischen in Gefahrensituationen autonom, sind stets online, und manche Fahrzeuge warnen sich bereits gegenseitig via Car2X vor Gefahren. Autos sind längst keine bloßen Fortbewegungsmittel mehr, sondern rollende Computer.
Die geballte Technik hat aber einen Haken: Sie ist teuer. Also müssen die Hersteller an anderer Stelle sparen – und das ist häufig die Material- und Verarbeitungsqualität, wie die ADAC Testingenieure herausgefunden haben. 580 verschiedene Fahrzeugmodelle wurden dabei unter die Lupe genommen und untereinander verglichen – aber auch untersucht, wie aktuelle Modelle im Vergleich zu ihrem Vorgänger abgeschnitten haben.
Verarbeitung: Die besten und schlechtesten Modelle
Kleinst- und Kleinwagen: Hoher Kostendruck
Mittel-/Oberklasse: Modelle für US-Markt schwächeln
Premiummarken: Auch hier regiert der Rotstift
Qualität: Die Auf- und Absteigermarken
Im VW-Konzern lässt die Qualität gerade nach
Hyundai wird schlechter, Renault besser
Fazit: Wellenbewegung bei der Qualität
Die Tops und Flops der verschiedenen Fahrzeugklassen: Klicken oder tippen Sie auf die Dachzeile der Tabelle, und Sie gelangen zu den klassenweisen Auswertungen. Hinweis: Die Noten zur Verarbeitung sagen nichts über Reparaturanfälligkeit oder Zuverlässigkeit aus. Letzteres erfasst die ADAC Pannenstatistik.
Zunächst ist wenig überraschend, dass teure Autos grundsätzlich penibler verarbeitet sind und über hochwertigere Materialien verfügen als günstige. Das zieht sich quer durch alle Fahrzeugklassen und lässt sich an der Note "Verarbeitung" gut ablesen. Beispiel: Einem Toyota Aygo etwa, der noch bis April 2022 für rund 10.000 Euro verkauft wurde, merkt man den hohen Kostendruck an jeder Stelle an. Lackiertes Blech statt angenehmer Stoff an den Türinnenseiten, keine vor Kratzern schützende Verkleidung im Kofferraum, und der Dachhimmel wirkt wie aus einem Eierkarton gemacht. Hinzu kommt ein kaum verkleideter Unterboden, dem es auch an Wachs für die Konservierung fehlt. Ergo: Note 4,4.
Doch wer glaubt, bei seinem direkten Nachfolger Aygo X, der fast 6000 Euro mehr kostet, hätte man das Geld in die Qualität investiert, täuscht sich: Der Neue schneidet in der Kategorie Verarbeitungs- und Materialqualität mit fast identischen Schwächen und der Note 4,4 genauso schlecht ab.
Bei den mehr als drei mal so teuren Modellen BMW i3 (Note 2,1, bis 5/22) und Honda e (Note 2,5) zeigt sich eine andere Welt, doch hier darf der Kunde schon ob des hohen Preisniveaus eine andere Qualität erwarten.
Nicht viel anders sieht es in der Mittelklasse aus, wo der teure Audi A4 mit einer sehr guten 1,2 als Note glänzt, der Honda CR-V aber nur auf eine 3,0 kommt und sich die hinteren Ränge mit Subaru Outback, Mitsubishi Outlander (Verkauf in Deutschland eingestellt) und Toyota RAV4/Suzuki Across teilt. Interessanterweise sind das Fahrzeuge, die mit Fokus auf den weniger anspruchsvollen US-Markt entwickelt wurden. Ein ähnliches Bild ergibt sich in den oberen Klassen mit den US-Lieblingen Toyota Highlander, Ford Mustang und Chevrolet Camaro unter den schlechteren Vertretern dieser Größe, in die sich allerdings auch der VW T6.1 mischt: Er kann auch als Multivan mit seiner schlichten Materialqualität seine Herkunft als Nutzfahrzeug nicht verhehlen. Umso dreister erscheinen die Preise, die VW für den beliebten Familienbus verlangt.
Und wie stehen Audi und Mercedes da? Dem Anspruch an ein Premiummodell werden insbesondere die neue Mercedes C-Klasse sowie der aktuelle Audi A3 Sportback nicht mehr gerecht. Dass im Vergleich zum Vorgänger die Preise kräftig erhöht wurden, macht die Sache wahrlich nicht besser.
Besonders enttäuscht waren die ADAC Tester von der aktuellen C-Klasse. Erfüllte die Materialanmutung des Vorgängers noch höchste Ansprüche ("Mini-S-Klasse"), sind beim neuen Modell Armaturenbrett, Mitteltunnel und Türverkleidungen nur noch im oberen Bereich mit geschäumtem Kunststoff verkleidet. Und während die Türfächer beim Vorgänger noch aus weichem Kunststoff bestanden, rutscht ein Schlüsselbund in den harten Ablagen der Neuauflage lautstark hin und her. "Das Beste oder nichts?" Im Falle der aktuellen C-Klasse nur ein inhaltsleerer Werbespruch – zumindest im Hinblick auf das verwendete Material.
Im Gegenzug gibt es einige Volumenhersteller, die trotz geringerer Margen sichtbar bemüht sind, den Kunden trotz vergleichsweise günstiger Fahrzeugpreise eine gute Materialqualität zu bieten. Hier sei besonders der Mazda 3 genannt, dem man die Hingabe der Entwickler beim Blick auf das fast schon nobel wirkende Interieur anmerkt.
Welche Modelle im Vergleich zu ihrem Vorgänger bei der Verarbeitungs- und Materialqualität besser oder schlechter geworden sind, sehen Sie in der folgenden Tabelle:
Der Volkswagen-Konzern befindet sich aktuell auf dem absteigenden Ast. Über viele Jahre war dessen Fahrzeugqualität überdurchschnittlich. Doch das hat sich geändert, seit die Vorstandsetage stärker auf die Kosten schaut. Beispiel Audi A3, der zu den Absteigern bei der Verarbeitung gehört. So wurden beispielsweise die in der Kompaktklasse seltenen Türrahmenverkleidungen eingespart, unter dem Kofferraumboden kommt das blanke Blech zum Vorschein, und auch im Innenraum kann der A3 mit teils mäßig entgrateten und nachgiebigen Kunststoffen nicht mehr die Solidität einer Burg auf Rädern vermitteln. Dem Vorgänger ist das noch gelungen.
Auch der VW Golf hat mit dem Modellwechsel vom Golf 7 zum Golf 8 nachgelassen. So muss die Motorhaube ohne praktische Gasdruckfeder auskommen, die das Öffnen der Motorhaube erleichtert und diese offen hält. Zudem haben die VW-Controller den Filz im Handschuhfach und den Stoffüberzug an den A-Säulen gestrichen. Vermeintlich Kleinigkeiten, die in Summe aber den Qualitätseindruck beeinträchtigen.
Beim Kompakt-SUV VW T-Roc steuert VW inzwischen wieder gegen. Die Oberseite des Armaturenträgers ist nun nicht mehr aus glänzendem und kratzempfindlichen Hartplastik, sondern aus weichem Kunststoff gefertigt. Damit ist die Materialqualität in Anbetracht der happigen Fahrzeugpreise insgesamt zwar immer noch dürftig, doch zumindest das Cockpit macht nun einen ordentlichen Eindruck.
Auch einige Hyundai-Modelle fielen den Autotestern in letzter Zeit negativ auf: Sowohl der Kleinwagen i20 als auch der als Kleinstwagen i10 ließen in der jüngsten Fahrzeuggeneration in puncto Verarbeitungsqualität merklich nach. Eingesparte Unterbodenverkleidungen, kratzempfindliches Plastik statt Filz im Kofferraum und Knarzgeräusche aus dem Armaturenträger gab es beim Vorgänger zumindest nicht.
Es gibt aber auch erfreuliche Tendenzen. Der aktuelle Renault Zoe hat den größten Sprung bei der Materialanmutung gegenüber dem Vorgängermodell gemacht. Die Franzosen stellen damit unter Beweis, dass selbst in der Kleinwagenklasse und zudem im besonders preissensiblen Segment der E-Autos ein ansprechendes Interieur möglich ist – ein freundlicher Gruß an die Kollegen aus Wolfsburg (VW e-up!). Sowohl das Armaturenbrett als auch die vorderen Türverkleidungen bestehen beim aktuellen Zoe aus geschäumtem Kunststoff. Zudem ziert nun ein großflächiger Stoffeinsatz das Armaturenbrett. Ein wertigeres Lenkrad mit Einsätzen in Chromoptik und farblich abgesetzten Stichnähten runden die Aufwertung des Innenraums ab. Das Wellental hat Renault offensichtlich überwunden.
Wird die Qualität nun insgesamt schlechter oder besser? Verallgemeinern kann man das nicht. "Die Material- und Verarbeitungsqualität ist oftmals Wellenbewegungen ausgesetzt", sagt ADAC Testingenieur Alexander Werner, der sich jeden Testwagen im Rahmen des mehr als 300 Punkte umfassenden ADAC Autotests sehr genau ansieht. "Während die Entwickler um eine bestmögliche Qualität bemüht sind, wollen die Controller selbst Centbeträge einsparen, um die Rendite zu steigern."
Werde zu viel gespart und gebe es entsprechend negative Rückmeldung von Presse und Kunden, werde beim Nachfolgemodell allerdings gegengesteuert – die verwendeten Materialien sowie die Verarbeitungsgüte würden wieder besser. Gut zu beobachten ist die Wellenbewegung laut Werner beispielsweise bei den kleinen und mittleren BMW-Baureihen (1er, X1, 3er), deren aktuelle Vertreter sich deutlich hochwertiger präsentieren als ihre Vorgänger.
Stark schwankende Spaltmaße, schlecht versiegelte Blechkanten, mehrteilige Türrahmen, fehlende Türrahmenverkleidung, fehlende doppelte Dichtlippe für Türausschnitt, scheppernde Türen bei geöffnetem Fenster, unaufgeräumter Motorraum, Karosserie nicht durchgehend lackiert, unverkleidete Blechteile im Kofferraum, unverkleidete Ladekante, kratzempfindliche Kunststoffverkleidung, minderwertige Kofferraummatte
Sichtbare Schrauben, schlecht befestigte Kunststoffteile, knarzende Kunststoffteile, schlecht entgratete Kanten, unverkleidete Blechteile, wackelige Mittelkonsole, Sonnenblenden nicht stufenlos arretierbar, Schalter/Regler mit Spiel
Oberer/unterer Teil Armaturenbrett nicht geschäumt, Türverkleidungen vorn/hinten nicht/teilweise geschäumt, Mitteltunnel nicht geschäumt, Dachsäule A-Säule/ab B-Säule ohne Stoffbezug, Sonnenblenden ohne Stoffbezug, minderwertiger Dachhimmel, minderwertiger Bodenteppich, keine Chromapplikationen an Tasten/Schaltern, sehr billiger/billiger Gesamteindruck
Sie suchen ein bestimmtes Modell? Alle vom ADAC getesteten Fahrzeuge lassen sich über die Autotest-Suche abrufen. In den umfangreichen Testberichten, die als kostenlose PDFs verfügbar sind, ist auch der Punkt "Verarbeitung" aufgeführt.
Die ADAC Autotest-Ergebnisse beruhen auf akribischen Messungen: Mehr als 300 Prüfpunkte untersuchen die Testingenieure des ADAC Technikzentrums in Landsberg am Lech. Vom Platzangebot über die Sicherheit bis hin zum Schadstoff- und CO₂-Ausstoß reicht die Bandbreite.
ADAC Autotest: Das steckt dahinter
Fahrkomfort messen – wie kann das funktionieren?
So sieht der Alltag einer Autotesterin beim ADAC aus
Fachliche Beratung: Alexander Werner, ADAC Technik Zentrum
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